30.11.2021 | LOGFILE Leitartikel 45/2021

Auszug aus der SOP-Sammlung, SOP 102 Lieferantenmanagement, Kapitel 6.4.1.
 

Identifizierung und Vorauswahl potentieller Lieferanten

Identifizierung und Vorauswahl potentieller Lieferanten

7 Min. Lesezeit | von Dr. Stefanie Blum

 

Wird eine neue Dienstleistung oder ein neues Material benötigt, prüft die Fachabteilung zunächst, ob diese Dienstleistung oder das Material von einem bereits qualifizierten Lieferanten bezogen werden kann. Ist dies der Fall, stößt die Fachabteilung eine Folgequalifizierung an (siehe Abschnitt 6.4.6). Andernfalls erfolgt die Identifizierung und Vorauswahl potentieller neuer Lieferanten durch die Fachabteilung.

Die Fachabteilung definiert in diesem Zusammenhang einen Mitarbeiter als Koordinator ("LQ-Koordinator LIEFERANTEN-FIRMA"). Dieser Mitarbeiter koordiniert seitens der Fachabteilung federführend die Vorauswahl und Qualifizierung eines konkreten Lieferanten. Wo erforderlich fordern die zuständigen Mitarbeiter der Fachabteilung über den LQ-Koordinator Unterstützung seitens weiterer Abteilungen, z. B. Einkauf oder Qualitätssicherung, an.


Henne oder Ei – das ist hier die Frage. Die Qualifizierung von Lieferanten ist aufwendig und kann somit durchaus als lästig empfunden werden. Somit stellt sich natürlich die Frage: (Ab wann) muss das sein? Warum überhaupt Aufwand betreiben, wenn der Lieferant womöglich gar nicht in Frage kommt? Sollte man z. B. bei Materiallieferanten nicht besser die Ergebnisse erster mit dem neuen Material produzierter Testchargen abwarten, bevor man das Qualifizierungsverfahren startet? Wenn sich dabei zeigt, dass das neue Material nicht geeignet ist, dann könnte auf die Abklärung regulatorischer und finanzieller Aspekte einfach verzichtet werden. Oder?

Das stimmt. Aber was ist, wenn die Testchargen gelingen und es stellt sich dann heraus, dass der vermeintliche Wirkstofflieferant kein GMP-Zertifikat hat und auch nicht beabsichtigt, ein solches zu erlangen?

Wie man's macht, macht man's verkehrt…

Es ist daher eine gute Idee, der eigentlichen Lieferantenqualifizierung einen leicht handhabbaren Prozess zur Vorauswahl voranzustellen. Während dieser Vorauswahl können mit vertretbarem Aufwand die wichtigsten Grundvoraussetzungen einer zukünftigen Zusammenarbeit abgeklärt (und erforderlichenfalls bereits optimiert) werden. Bei positivem Ergebnis dieser Vorauswahl folgt anschließend dann die eigentliche Qualifizierung des Lieferanten.


Im Rahmen der Vorauswahl klärt die Fachabteilung – soweit für das Material / die Dienstleistung und dementsprechend den Lieferanten zutreffend – mindestens folgende Punkte (fettgedruckte Aufzählungspunkte, die Unterpunkte haben beispielhaften Charakter):

  • Grundsätzliche fachliche Eignung und allgemeine Informationen, z. B.

    • Expertise des Lieferanten
    • Produktionsprozess (synthetisch, menschlichen, tierischen, pflanzlichen, mikrobiologischen Ursprungs, gentechnologische Herstellung)
    • Spezifikation (Arzneibuch oder hausintern)
    • Kapazität des Lieferanten (größte/kleinste Chargengröße, Lieferfristen, Vorlaufzeiten)
    • Möglichkeit der Bestellung kleinerer Testchargen
    • Produktionsstandort(e)
    • Lieferkette
    • Produktspektrum
       
  • Grundlegende regulatorische Eignung und Qualitätsaspekte, z. B.

    • REACH-Anforderungen, Sicherheitsdatenblätter
    • BSE/TSE-Anforderungen
    • Qualitätssystem (z. B. GMP, ISO, Akkreditierung …)
    • Inspektionshistorie
       
  • Grundlegende finanzielle Eignung, z. B.

    • finanzielle Stabilität
    • Preise, Preisstruktur, mögliche Rabatte
       
  • Grundlegende kooperative Eignung, z. B.  

    • Umgang mit Anfragen und Reaktionszeit
    • Freundlichkeit
    • Flexibilität
    • etwaige Sprachprobleme

Der LQ-Koordinator dokumentiert diese Vorauswahl zusammen mit den Stammdaten, der Risikoklasse und der Kategorie des Lieferanten in Anlage 7 (Formblatt "Lieferantenqualifizierung"). Er nimmt dabei in Abstimmung mit den an der Vorauswahl beteiligten Mitarbeitern auch die Bewertung des Lieferanten vor.

Diese Bewertung umfasst zunächst die dreistufige Bewertung der einzelnen Auswahlpunkte (Einzelwertung)

  • A - sehr gut, keine Maßnahmen erforderlich
  • B - zufriedenstellend, Maßnahmen optional
  • C - mängelbehaftet, Maßnahmen erforderlich.

Basierend auf dieser Bewertung der einzelnen Auswahlpunkte nimmt der LQ-Koordinator wiederum in Abstimmung mit den an der Vorauswahl beteiligten Mitarbeitern die Gesamtbewertung des Lieferanten vor:

  • JA - der Lieferant ist grundsätzlich geeignet, Qualifizierungsprozess soll durchgeführt werden
  • NEIN - keine Zusammenarbeit mit dem Lieferanten geplant

Mängelbehaftete Lieferanten (Bewertung eines oder mehrerer Parameter mit "C") werden dann mit "NEIN" bewertet, wenn die festgestellten Mängel nicht durch geeignete Maßnahmen beseitigt werden können oder sollen (z. B. aus Kosten- oder Zeitgründen).

Sofern der Lieferant insgesamt mit "JA" bewertet wird, überführt der LQ-Koordinator die im Falle einer Bewertung mit "B" möglichen und im Falle einer Bewertung mit "C" zwingend notwendigen Maßnahmen ins CAPA-System. Die weitere Bearbeitung dieser Maßnahmen erfolgt entsprechend den Vorgaben der SOP-105 "Maßnahmen zur Fehlerkorrektur und Vorbeugung (CAPA) einschließlich Ursachenanalyse". Der LQ-Koordinator dokumentiert die CAPA-Nummer(n) im Formblatt "Lieferantenqualifizierung".

Der LQ-Koordinator startet nun außerdem das Change Control-Verfahren gemäß SOP-104 "Umgang mit Abweichungen und Änderungen" und veranlasst in diesem Zuge, dass QS den potenziellen Lieferanten mit dem Status "in Qualifizierung" in das ERP-System Logifixx aufnimmt (siehe Abschnitt 6.4.2.3 Qualifizierungs-Status).

Wird der Lieferant mit "NEIN" bewertet, endet der Prozess und es erfolgt keine weitere Qualifizierung.

Die Dokumente, die Maas & Peither Pharma GmbH im Zuge des Vorauswahl-Prozesses bereits erhalten hat, dokumentiert der LQ-Koordinator im Abschnitt Anlagen des Formblatts "Lieferantenqualifizierung" und legt diese Dokumente entsprechend den Vorgaben von Abschnitt 7 Führung und Ablage von Dokumenten ab.

Abschließend schließen der LQ-Koordinator und QS die Vorauswahl mit datierter Unterschrift im Formblatt "Lieferantenqualifizierung" ab.

 
Frau Blum

Autorin

Dr. Stephanie Blum
Unternehmensberaterin bei cirQum
E-Mail: stephanie.blum@cirQum.de

 
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Kommentare


Vielen Dank für diesen interessanten Bericht. Es hat mir aufgezeigt, dass der LQ in unserer Firma viel mehr involviert sein sollte. Aktuell wird die beschriebene Vorqualifizierung durch Projekt-MM oder Change-MM oder QP/compliance fast vollständig abgewickelt, so dass dem LQ nur die (mühsamen) Fragebögen, Qualitätssicherungsvereinbarungen mit Lieferanten und die administrative Pflege der ASL übrigbleiben. Wahrscheinlich wird sich nichts ändern, aber trotzdem Danke für den Input.
Nicole Emmendörffer 02.12.2021

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